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Wahrheitspflicht
Ein Arbeitszeugnis muss wahr sein und alle wesentlichen Tatsachen enthalten, die für eine Gesamtbeurteilung von Bedeutung sind und an denen ein künftiger Arbeitgeber ein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse“ haben könnte. Dabei ist der Arbeitgeber nicht zur schonungslosen Offenbarung aller ungünstigen Vorkommnisse verpflichtet. Negative Beurteilungen sind nur dann zulässig, wenn sie für die gesamte Dauer der Beschäftigung charakteristisch waren.
Auch in der Schweiz dürfen negative Aussagen nur gemacht werden, wenn sie sich signifikant auf die Leistung oder das Verhalten ausgewirkt haben und einen bedeutenden Anteil für die Gesamtbeurteilung einnehmen. Die Lehrmeinung „Wahrheit vor Wohlwollen“ nimmt in der Schweiz einen wichtigen Stellenwert ein (siehe auch: Fürsorgepflicht).
In Österreich darf das Dienstzeugnis keinerlei Anmerkungen enthalten, welche es dem Arbeitnehmer erschweren eine zukünftige Anstellung zu finden.
Wohlwollen
Das Zeugnis muss wohlwollend formuliert sein und darf das berufliche Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren. Beim Wohlwollen ist der Maßstab eines verständigen Arbeitgebers anzulegen. Im Übrigen ergibt sich das verständige Wohlwollen auch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Vollständigkeit
Vollständigkeit in Deutschland bedeutet, dass das Zeugnis keine Lücken enthalten darf. Es müssen alle für die Beurteilung der Leistung und der Führung wichtigen Dinge erwähnt werden. Der Zeugnisaussteller darf nichts auslassen, was der Zeugnisleser üblicherweise erwartet. So darf bei einer ehrlichen Kassiererin nicht der Hinweis fehlen, dass sie ehrlich ist, bei einem guten Einkäufer, dass er Verhandlungsgeschick besitzt und bei einer Führungskraft, dass er oder sie als Vorgesetzte(r) anerkannt ist.
Form
Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ein Arbeitszeugnis in einer ganz bestimmten Form zu erstellen. Jedoch kann ein Arbeitnehmer verlangen, dass sein Arbeitszeugnis auf einem Geschäftsbogen geschrieben wird, ordentlich und sauber, im Format DIN A 4, und zwar mit Schreibmaschine oder PC und nicht mit der Hand. Bei Rechtschreib- und Grammatikfehlern kann er eine Berichtigung verlangen (BAG, 5 AZR 182/92).
Das Österreichische Dienstzeugnis unterliegt keiner bestimmten Form, der Arbeitnehmer kann jedoch ein verknittertes, unsauberes oder Rechtschreibfehler enthaltendes Zeugnis ablehnen.
Formulierungsfreiheit
Der Zeugnisaussteller in Deutschland ist frei bei der Wortwahl und Satzstellung.
„Dem Arbeitgeber ist nicht vorgegeben, welche Formulierungen er im Einzelnen verwendet. Auch steht ihm frei, welches Beurteilungsverfahren er heranzieht. Der Zeugnisleser darf nur nicht im Unklaren gelassen werden, wie der Arbeitgeber die Leistung einschätzt.“ (Urteil Bundesarbeitsgericht vom 14. Oktober 2003 – 9 AZR 12/03).
In Österreich darf das Dienstzeugnis gesetzlich keine dem Arbeitnehmer bei der zukünftigen Arbeitsuche erschwerende Formulierungen enthalten. Dies führt dazu, dass Arbeitgeber einen Code bei der Ausstellung qualifizierter Dienstzeugnisse verwenden und solche, die nicht generell den Superlativ (z. B. stets zur vollsten Zufriedenheit) verwenden, bereits als negativ angesehen werden können.
Aufgabenbeschreibung
Bei der Beschreibung der Tätigkeit sind dem Zeugnisaussteller enge Grenzen gesetzt. Bei der Bewertung von Führung und Leistung dagegen hat er einen beträchtlichen Beurteilungsspielraum (Deutschland: BAG AP zu § 630 BGB). Er kann frei entscheiden, welche positiven und negativen Eigenschaften und Fähigkeiten er mehr hervorheben will als andere. Maßstab ist der durchschnittlich befähigte und vergleichbare Arbeitnehmer seines Betriebes.
Ein Zeugnis muss die Tätigkeiten so vollständig und genau wiedergeben, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Unwesentliches darf der Zeugnisaussteller weglassen, nicht aber Aufgaben, die etwas mit den Kenntnissen und Leistungen des Arbeitnehmers zu tun haben. Die Auslassung berufs- oder branchenüblicher Eigenschaften und Leistungen in einem Arbeitszeugnis stellt regelmäßig einen (versteckten) Hinweis für den Zeugnisleser dar, der Arbeitnehmer sei in diesem Merkmal unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich zu bewerten („beredtes Schweigen“). Nach den Grundsätzen von Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit hat dann der Arbeitnehmer Anspruch darauf, dass ihm ein ergänztes Zeugnis erteilt wird. Der Zeugnisaussteller muss aber Tätigkeiten nicht erwähnen, die für eine Bewerbung keine Bedeutung haben. Eine Aufgabenbeschreibung in Stichworten ist zulässig.
Beschreibt ein Zeugnisaussteller sehr ausführlich die Tätigkeiten, dann muss er sich in entsprechender Breite auch zu seinen Leistungen verhalten, weil sonst der Eindruck entsteht, der Arbeitnehmer habe sich bemüht, aber im Ergebnis nichts geleistet.
Beurteilung der Leistungen
Die Beurteilung der Leistung lässt sich in verschiedene Bereiche unterteilen. Zu beurteilen sind die Fähigkeiten und Kenntnisse des Arbeitnehmers, seine Arbeitsweise und sein Arbeitserfolg. Auch Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit und Zuverlässigkeit werden typischerweise beurteilt, ein Fehlen einer dieser Komponenten stellt üblicherweise ein „beredtes Schweigen“ dar.
Der Arbeitgeber hat einen Beurteilungsspielraum, der von den Arbeitsgerichten nur sehr begrenzt überprüfbar ist. „Voll überprüfbar“, so das Bundesarbeitsgericht, „sind dagegen die Tatsachen, die der Arbeitgeber seiner Leistungsbeurteilung zugrunde gelegt hat.“
Doch ein Arbeitgeber kann die „Tatsachen“ ganz anders sehen als der Arbeitnehmer. Die Beurteilung der Leistung ist immer subjektiv und kann deshalb auch falsch sein, weil Menschen sich irren können. Das Problem ist objektiv schwer zu lösen. Ein Arbeitnehmer schuldet vertraglich eine Leistung mittlerer Art und Güte (§ 243, Absatz 1 BGB), also eine „befriedigende Leistung“. Will ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht eine bessere Bewertung erstreiten, hat er, so das Bundesarbeitsgericht, „Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich eine bessere Beurteilung ergeben soll.“ Beurteilt der Arbeitgeber die Leistungen unterdurchschnittlich, also schlechter als „befriedigend“, ist er beweispflichtig.
Ein Arbeitgeber ist auch frei in seiner Entscheidung, ob er den sogenannten Zeugniscode („hat stets zu unserer vollen Zufriedenheit gearbeitet“) verwendet oder eine nicht codierte Formulierung, wie etwa: „Er erzielt sehr gute Ergebnisse.“ Das Bundesarbeitsgericht hat aus „Gründen der Rechtssicherheit“ die Formulierungen des Zeugniscodes akzeptiert, obwohl sie wohlwollender klingen, als sie gemeint sind, (BAG 23. September 1992 – 5 AZR 573/91).
Das Zeugnis ist in deutscher Sprache zu schreiben. Auch in internationalen Unternehmen hat ein Mitarbeiter keinen Anspruch darauf, dass sein Zeugnis beispielsweise in englischer Sprache ausgestellt wird. Ohnehin sind Arbeitszeugnisse im englischen Sprachraum unüblich; stattdessen wird dort die Angabe von Referenzen erwartet, die meist in Form von Name und Telefonnummer früherer Vorgesetzter, seltener auch in Form von Empfehlungsschreiben angegeben werden.
Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Formulierung. Er kann nicht verlangen, dass die sprachlich verunglückte Formulierung „vollste Zufriedenheit“ in „gute Leistungen“ geändert wird und umgekehrt (BAG 29. Juli 1971 – AP Nr. 6 zu § 630 BGB).
Unterschrift
Neben dem Ausstellungsdatum muss das Zeugnis vom Arbeitgeber oder einem ranghöheren Bevollmächtigten unterschrieben werden. Die Vertretungsmacht muss erkenntlich sein (z. B. ppa = per Prokura oder i. V. = in Vollmacht).
Grund des Ausscheidens
Grund und Art des Austritts dürfen ohne das Einverständnis oder gegen den Willen des Zeugnisempfängers aus dem Zeugnis nicht ersichtlich sein (LAG Düsseldorf, 22. August 1988 – LAGE § 630 BGB, Nr. 4). Auch die Formulierung „Das Arbeitsverhältnis wurde im gegenseitigen Einverständnis aufgelöst“ darf der Arbeitgeber nur dann in das Zeugnis hineinschreiben, wenn der Mitarbeiter damit einverstanden ist.
Bei einer fristlosen Kündigung seitens des Arbeitgebers darf nicht im Zeugnis stehen: „Das Arbeitsverhältnis endete durch fristlose arbeitgeberseitige Kündigung“.
Zulässig wäre die Formulierung: „Das Arbeitsverhältnis endet am …“(LAG Düsseldorf 1. Oktober 1987, 9CA 2774/87).
Schluss-Formulierung
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Februar 2001 (9 AZR 44/00) festgestellt, dass Schlussformeln in Arbeitszeugnissen häufig verwendet werden, aber trotzdem kein Anspruch darauf besteht. Die Schlussformel, so das Bundesarbeitsgericht, betrifft weder Führung noch Leistung und gehört nicht zu dem gesetzlich bestimmten Mindestinhalt des Arbeitszeugnisses. Auf die übliche Praxis, Schlussformeln zu verwenden, wird dieses Urteil keinen Einfluss haben, weil Mitarbeiter solche Formulierungen erwarten. Das „Bedauern“ wird wie bisher die Ausnahme bleiben und ist nach wie vor eine Empfehlung für jeden Arbeitnehmer
Doppeldeutige Formulierungen
In Arbeitszeugnissen in Deutschland dürfen keine doppeldeutigen Formulierungen stehen, mit denen der Arbeitnehmer kritisiert wird. Das hat das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden (Az: 4 Sa 630/98). Das Gericht hat der Klage einer Krankenschwester entsprochen. In ihrem Zeugnis stand eine Formulierung, mit der sie sich als aufsässige Mitarbeiterin gebrandmarkt sah: „Sie war sehr tüchtig und in der Lage, ihre eigene Meinung zu sagen.“
Das Gericht hat in dieser Formulierung eine unzulässige Doppelbödigkeit gesehen und bei dieser Gelegenheit auch andere doppeldeutige Formulierungen für unzulässig erklärt. Der Gesetzgeber hat inzwischen diese Rechtsprechung in § 109 Gewerbeordnung übernommen.
Die in der Schweiz seit Jahren erfolgreich abgefassten, uncodierten, transparenten Arbeitszeugnisse kennen keine doppeldeutigen Formulierungen. Ein am Schluss des Arbeitszeugnisses gut sichtbares Gütesiegel verleiht potenziellen Arbeitgebern wie dem vom Arbeitszeugnis betroffenen Arbeitnehmer Sicherheit, dass das Arbeitszeugnis nicht nach Belieben interpretiert werden darf. Verfassern von Arbeitszeugnissen wird die anzuwendende sprachliche Brückentechnik empfohlen. Mit ihr steht die reiche, aussagekräftige deutsche Sprache uneingeschränkt zur Verfügung.
In Österreich kommt es immer wieder zu Gerichtsstreitigkeiten in Hinblick auf doppeldeutige Formulierungen, das Gesetz schreibt vor, dass keine Anmerkungen vorkommen dürfen, die dem Arbeitnehmer die Suche nach einer neuen Arbeit erschweren. Diese Regelung lässt Arbeitgebern jedoch genug Spielraum, negative Anmerkungen leicht positiv auszudrücken, was allgemeinhin bereits negativ zu Interpretieren ist.
Zeugnis „geknickt“
Ein Zeugnisaussteller darf das Zeugnis zweimal falten und in einen üblichen Briefumschlag stecken. Voraussetzung ist, dass das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen, z. B. durch Schwärzungen.
Mitbestimmung des Betriebsrats?
Ein Arbeitszeugnis ist eine Beurteilung. Nach § 94 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei den Beurteilungsgrundsätzen. Dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich aber nicht auf die Beurteilung im Einzelfall. Es bleibt dem Arbeitnehmer aber unbenommen, den Betriebsrat, die Gewerkschaft oder den Personalrat überprüfen zu lassen, ob das vom Arbeitgeber ausgestellte Zeugnis den Anforderungen genügt.
Was darf NICHT im Zeugnis stehen?
– Außerdienstliches Verhalten, Vorkommnisse aus dem Privatleben
– Betriebsratstätigkeit (Ausnahme: Freistellung länger als ein Jahr)
– Schwangerschaft, Mutterschutz
– Gewerkschaftszugehörigkeit
– Parteimitgliedschaft
– Nebentätigkeit
– Schwerbehinderteneigenschaft
– Gesundheitszustand (Ausnahme: wenn eine akute Gefährdung Dritter ernsthaft zu befürchten ist, z. B. Epilepsie)
– Anzahl Krankentage (Ausnahme: wenn die Fehlzeiten im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses beträchtlich sind, z. B. über 50 %)
– Straftaten, wenn sie nicht unmittelbar das Arbeitsverhältnis berühren
– Verdacht auf strafbare Handlungen
– Streik und Aussperrung
– Wettbewerbsverbote
Verjährung/Verwirkung
Nach § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist für Arbeitszeugnisse drei Jahre. Sie tritt vorher ein, wenn der Anspruch verwirkt oder die Erfüllung unmöglich geworden ist. Das wird immer dann zutreffen, wenn der Arbeitgeber nicht mehr in der Lage ist, ein wahrheitsgemäßes Zeugnis auszustellen.
Wie jeder andere schuldrechtliche Anspruch unterliegt der Zeugnisanspruch der Verwirkung. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BB 1989, 978) ist der Anspruch dann verwirkt, wenn der Gläubiger (Anspruchsinhaber) sein Recht über längere Zeit nicht in Anspruch nimmt und deshalb gegenüber dem Anspruchsgegner den Eindruck erweckt, den Anspruch nicht mehr geltend zu machen. Die Verwirkung kann bereits nach zehn Monaten eintreten; das hängt auch von den Umständen des Einzelfalls ab.
